Künstlerin einer empathischen Avantgarde
Es sind überdimensionale, detailverliebte, digitale Fotografien von bis zu 270 cm Breite und 200cm Höhe und ca. 50 MB. Man sieht auf ihnen die in Wolken gehüllte Skyline von New York, die sich so prägnant schon vor langer Zeit in unser Gedächtnis gebrannt hat, im Sand einer Wüste von Botswana stehen. Man sieht den Fuß des wohlbekannten Pariser Wahrzeichens, den Eiffelturm, der vor der Kulisse patagonischer Eisberge prangt. Oder man sieht eine prachtvolle Straße, gesäumt von herrschaftlichen Häusern, die aus einer Großstadt hinausführt, aus dieser Masse von Menschen, Autos und Häusern, hinein ins Nichts einer leeren Wüstenlandschaft.
Man erhält also Ansichten unserer Erde, unserer Welt, die einerseits Teil unserer gewohnten Wahrnehmung sind, sich dann jedoch gerade dieser Gewohnheit entziehen, weil die Kombination dieser Ansichten uns Lügen straft. Die Ansichten, die uns Anke Schaffelhuber bietet, existieren nicht. Und doch verführen ihre Bilder dazu, genau diese Existenz anzunehmen. Denn das Zeigen von Nichtexistentem ist gerade einer der visionären Gaben, die die Kunst für sich in Anspruch nimmt. Sie kann Möglichkeiten der Realität vorwegnehmen, die in der Zähigkeit und Langsamkeit der Materie ansonsten gefangen wären. Die Kunst führt Widersprüche zusammen, indem sie Materie durch Geist überlistet und Zeit und Struktur aushebelt. Momentaufnahmen erhalten Ewigkeitscharakter. Anke Schaffelhubers Kunst vereint die Gegensätze von Erster Welt und Dritter Welt, von unberührter Natur und Industrialisierung/Urbanisierung, von Vergangenheit und Zukunft, von Ruhe und Hektik, zu einer aufrüttelnden und gleichzeitig ästhetischen Vision.
Jede Kunst hat ihren Anfang. Die Fotokunst von Anke Schaffelhuber hat ihren Anfang 1993 auf einer Reise mit Wilderness (www.wilderness.travel) nach Namibia und Botswana. Dorthin, wo Natur und Mensch noch eine Einheit sind, und dorthin, wo die Gegenwart die einzig wichtige Zeitzone ist. Sie sieht in Namibia, weit ab von der Hauptstadt Windhoek und nur erreichbar mit diesen kleinen wackeligen Fliegern, das Nomadenvolk der Himbas, deren Haut so rot ist wie der sandige, unwirtlich trockene Boden. Sie sieht in Botswana im viel fruchtbareren, grünen Flußdelta Okawango Buschmänner mit Lendenschutz und Speeren jagen. Die Big Five, Löwe, Leopard, Elefant Nilpferd und Büffel, sind hier zu Hause, zusammen mit Giraffen, Antilopen und Zebras. Der Wilderness Trust (www.wildernesstrust.com) ermöglicht der Fotografin, die vom Aussterben bedrohten Nashörnern zu Fuß ganz nach zu erleben. Unvergessliche Erlebnisse.
Es sind Eindrücke, die nicht mehr loslassen, bis heute ist sie 18 Mal in den schwarzen Kontinent zurückgekehrt. Und Anke Schaffelhuber hält diese Eindrücke in abertausenden Fotografien fest. In einem Jahr entstehen durchaus 10.000 Stück. Sie taucht dabei ganz intuitiv mit einem weiblichen Erspüren mit allen Sinnen in die Präsenz der Natur und der Tierwelt ein, wird selbst zum Bestandteil. Läßt sich von Buschmännern in gefährlich einsame Gebiete führen. Doch dann geht die Fotografin noch weiter, mit der gleichen Intensität beim Fotografieren, und zwar in die vom Menschen erbauten Großstädte, wie New York, Paris, oder Bangkok, in den kalten, hektischen Beton-, Glas-, Stahl- und Steindschungel, der langsam die Natur Stück für Stück überzieht und doch eine nicht zu unterschätzende Faszination ausstrahlt. Denn diese urbanen Knoten erzählen ebenso von der Geschichte und dem Werdegang der Menschheit, von ihren Irrgängen, aber auch von ihren Hoffnungen, von ihren Wonnen und Leiden.
Schließlich führt die Wahl-Münchnerin Anke Schaffelhuber diese Gegensätze dieser Weltansichten in konstruierten Fotografien zusammen. Und dieses Zusammenführen findet auf eine sehr technisch-präzise Art und Weise statt. Zunächst müssen aus dieser Unzahl von Bildern die passenden gefunden werden, die in Farbe, Perspektive und Blendenzahl (Tiefenschärfe) übereinstimmen. Und dann werden diese Bilder in mühevoller Kleinstarbeit, Pixel für Pixel, zuweilen in weit mehr als 100 Stunden zu einer Einheit verschmolzen. Kaum zehn Werke werden im Jahr vollendet. Nichts wird mehr auf ihre vergangene Unabhängigkeit und Dichotomie hinweisen. Vorder- und Hintergründe werden sorgfältig angepaßt, sowie Farbverläufe, Schatten und Lichtkegel. Realität und Fiktion verwischen, lösen sich in ihrer Kunst auf. Sie ändert dabei nicht so radikal, manipuliert nicht so offensichtlich, retuschiert oder vervielfacht nicht so wie ein Andreas Gursky das tun würde. Bei ihr ist es ein Übereinanderlegen zweier Wahrheiten, zweier Realitäten, die so zu einer möglichen Fiktion werden. Zu einer neuen Wahrheit. Es gibt eine fast perfekte Harmonie im Bildaufbau, eine verführerische Ästhetik in der Oberfläche, eine Balance der Farben, die dann doch Stück für Stück ins Innere sickert, um hier das Sujet des Kunstwerkes und deren weitgehende Brisanz zu offenbaren. Und das Sujet ist diese virulente Angst, dass irgendwann die Evolution dem kalten Grau der Megastädte die Herrschaft über das Grün der Natur gibt. Dass der Mensch es vielleicht doch irgendwann „schafft“, Flora und Fauna nachhaltig der Zerstörung preiszugeben.
Und so wird zum Schluss eines klar: Anke Schaffelhuber ist eine Foto-Künstlerin, die einer Generation angehört, die man die empathische Avantgarde der Postmoderne nennen kann. Eine Avantgarde, die weniger am Äußeren, nicht an Form und Ausdruck, zu identifizieren ist. Eine Avantgarde, die vielmehr an diesem subtilen, empathischen Inneren auszumachen ist, und die die Kunst als diese besondere Erfahrung (John Dewey) sieht. Eine Erfahrung, die eine umfassende, direkte Beziehung von Mensch und Umwelt, von Tun und Erleben, von Aktion und Reaktion meint, und ohne die wir verloren sind.
Kat Schuetz
Anke Schaffelhuber
Geboren am 30.07.1968 in Iserlohn, wächst Anke Schaffelhuber im niederbayerischen Deggendorf auf. Schon früh verspürt sie die Sehnsucht die Welt zu erkunden und für sich zu entdecken. So verschlägt es sie nach dem Abitur in die für sie damals „größt gefühlte Stadt der Welt“, New York. Angetan von den Eindrücken der Metropole beginnt sie an der Art Student League (www.theartstudentsleague.org) zu studieren. Nachdem sie erste künstlerische Erfahrungen gesammelt hat, begibt sie sich auf eine zweimonatige Fotoreise quer durch die USA. Mit jeder Menge Bildern und Eindrücken kehrt sie nach Deutschland zurück, um an der Ludwig Maximilian Universität in München ein BWL Studium zu beginnen. Ihre kreative Ader will Anke Schaffelhuber jedoch nicht unterdrücken und belegt freie Kurse an der Akademie der bildenden Künste in München.
Der Appetit, die Welt zu entdecken, ist noch immer nicht gestillt und so begibt sie sich immer wieder auf weltweite Reisen. 2003 reist sie zum ersten Mal nach Afrika. Mit Wilderness (www.wilderness.travel) entdeckt sie die afrikanischen Länder Namibia und Botswana. Es ist ihr Einstieg in die digitale Fotografie und gleichzeitig auch die unendlichen Liebe zu Afrika. Bereits nach ihrem ersten Aufenthalt in Afrika entstehen unzählig viele Fotografien, die die einzigartige Natur und die Weiten Afrikas festhalten. Bis 2011 reist die Fotokünstlerin 18-mal nach Afrika und erkundet die Schönheiten Namibias, Botswanas, Zambias, Malawis, Südafrikas und Kenias. Obwohl Afrika ihre große Liebe bleibt, erkundet sie auch die westlichen Großstädte, reist nach Paris, London oder New York, entdeckt die Einzigartigkeit Buenos Aires, Bangkoks, Berlins Stockholm, St. Tropez sowie der Mittelmeerküste. Auch die Malediven, Seychellen, Dubai, Abu Dhabi, Marrakesch, Bhutan, Mauritius, die Türkei und Sizilien dienen als Inspirationsquelle für die Künstlerin.
In Ihren Kunstwerken verbindet sie Gegensätze. Sie erzählt in ihren großformatigen, illusionistische-realen Werken Geschichten von der Ersten und der Dritten Welt, von Vergangenheit und Zukunft, Ruhe und Hektik und verbindet unberührte Natur mit Industrialisierung/Urbanisierung. Ihr künstlerisches Outcome hat sie bei der Ausstellung artmeetsgreen 2010 in München. Von Oktober bis Januar 2012 stellte sie erfolgreich unter dem Titel „Emphatische Kunst“ in der Brienner Straße 7 in München aus. Weitere Ausstellungen folgten unter anderem in der Galerie Espace des Lices in St. Tropez (2012), bei 9 Artroom in München (2012) sowie in der etablierten deutschen Fotogalerie f 5,6 in München (2013).
Zu ihren Sammlern gehören mittlerweile berühmte deutsche Persönlichkeiten wie Michael Käfer, Prof. Hans Georg Näder, Sônia Bogner, Carolin Schäufele und Boris Becker sowie international bekannte Personen wie Stephanie Conley. Durch Kat Schütz hat sie auch Fuß in der amerikanischen Ostküste gefasst. Inzwischen ist sie auch an der Westküste Amerikas, in Dubai, Australien und der ganzen Welt vertreten.